Ein möglicher Indikator ist die Anzahl jährlicher Scheidungen von Eltern mit unmündigen Kindern: 2009 waren laut BFS-Statistik bei rund 8500 Scheidungen fast 14‘000 Kinder betroffen (Quelle: DRS.ch). In Deutschland wird angenommen, dass bereits jede 7. Familie eine Patchworkfamilie ist (Quelle: ellviva.de). Eine Statistik von Österreich aus dem Jahr 2008 zeigt, dass insgesamt rund 9 % der Paarfamilien mit Kindern so genannte Patchwork-, bzw. Stieffamilien sind (Quelle: statistik.at).
Patchworkfamilie: Neues entsteht – Chancen und Gefahren
So unterschiedlich die Geschichte jedes einzelnen Menschen ist, so individuell ist die Zusammensetzung einer Patchworkfamilie: manchmal bringt nur ein Partner Kinder mit in die neue Familie, manchmal sind es beide. Und vielleicht gibt es noch Kinder aus der neuen Verbindung. Bis die zusammen gewürfelten Familienmitglieder zu einer tragfähigen Gemeinschaft zusammengewachsen sind, kann es 3 – 7 Jahren dauern.
Die Entscheidung, eine Patchworkfamilie zu gründen, ist absolut nicht der Weg des geringsten Widerstandes. Denn es gibt mehr zu organisieren, zu klären und meist mehr Konflikte zu lösen, als in der ursprünglichen Kernfamilie.
Was heute normal ist, galt vor ein paar Jahren als nicht funktionsfähig oder als schlechte Kinderstube.
Patchworkfamilien sind viel besser als ihr Ruf
Alleinstehende und Mitglieder von zusammen gewürfelten Familien wurden von Meinungsforschern im Sept. 2011 befragt. Dabei kam heraus, dass es für Kinder wichtig sei, eine Familie zu haben. Ob dies eine traditionelle oder eine Patchworkfamilie sei, spiele keine Rolle. Die Hälfte sah für den Nachwuchs gar Vorteile in einer Patchworkfamilie. Die älteren Befragten finden eine Heirat nicht zwingend nötig, die jüngeren dagegen finden es unterlässlich zu heiraten, damit die Erziehung gelinge (Quelle: Paradisi.de).
Patchworkfamilien in der Herausforderung von Image und Realität
Kinder in der Patchworkfamilie
Kinder brauchen Orientierung. Gute elterliche Beziehung vermittelt Kindern Sicherheit und Trennungen der Eltern zerstören diese. Dadurch leidet ihr Urvertrauen. Sie können unter der Trennung der Eltern leiden und wenig motiviert sein, sich in die neue Patchworkfamilie hineinzugeben. Ist ein Elternteil noch nicht allzu lange verstorben, ist zu bedenken, dass zur Umgewöhnung an die neue Familiensituation noch die Trauer des Kindes dazukommt, was die ganze Situation erschweren kann.
Es gibt auch Kinder, die sich schuldig fühlen, weil ihre Eltern sich trennen. Wenn dieser Irrtum nicht geklärt wird und Kinder mit so tief greifenden Veränderungen allein gelassen werden, kann dies negative Auswirkungen auf ihr späteres Leben haben. Eine Langzeitstudie über 25 Jahre von Judith S. Wallerstein, amerikanische Psychologin, zeigt: 25% der Jugendlichen unter 14 Jahren aus Scheidungsfamilien trinken regelmässig Alkohol oder konsumieren Drogen (Quelle: Schweizerfamilie.ch).
Mehr Konfliktpotenzial bei den Paaren
Bei den Elternteilen entsteht im Vergleich zu den Kindern viel mehr Konfliktpotenzial: Die fehlende gemeinsame Vergangenheit, die – manchmal unbewusste – Eifersucht auf den Ex-Partner. Manchmal tauchen Probleme zwischen dem neuen Partner und den Kindern auf. Der neue Partner kann vielleicht mit der Art eines Kind nicht umgehen oder wird vom Kind nicht akzeptiert.
Sind aus der ursprünglichen Familie Themen nicht aufgearbeitet worden, tauchen diese unweigerlich nach der ersten Verliebtheitsphase wieder auf.
Neben dem Alltag, den es zu organisieren gilt, ist es auch wichtig, sich mit den rechtlichen Grundlagen der neuen Situation auseinanderzusetzen.
Wie sieht es mit dem Erbrecht aus oder wohin kämen die Kinder bei einer allfälligen Trennung, wenn die neuen Partner nicht heiraten? Die Finanzen sind auch zu klären. Eventuelle Unterhaltsverpflichtungen belasten die Haushaltskasse. In all dem ist es wichtig, dass sich das Paar auch Zeit nur für sich alleine nimmt und nicht nur als Organisationstalente und Vermittler zwischen den Kindern wirkt. Wenn Paare an Grenzen stossen, ist es ratsam, Hilfe beizuziehen und sich beraten zu lassen.
Neuer Start an neuem Ort
Als optimaler Start für eine Patchworkfamilie empfiehlt es sich, dass beide Parteien die ursprüngliche Wohnung verlassen und an einem andern Ort gemeinsam ein neues Zuhause gründen. So haben alle dieselbe Ausgangslage und keiner muss Platz machen oder kommt sich als Eindringling vor.
Alex Bergers erste Frau stirbt nach einer Krankheit. Zurück bleibt er mit den beiden Kindern. Er heiratet wieder. Seine zweite Frau Elisabeth sagt ja zu ihm und zu seinen Kindern. Zwei gemeinsame Kinder kommen noch zur Patchwork-Familie dazu. Doch ersetzt ist die Mutter deshalb nicht. Schmerz und Trauer müssen auch in der neuen Familie verarbeitet werden.
Margrith Sonderegger ist Erwachsenenbildnerin. Sie bietet Kurse für Patchwork-Familien an. In ihrer Arbeit zeigt sie Wege auf, wie eine Patchwork-Familie zusammen wachsen – und zusammenwachsen – kann.
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Weiterführende Tipps im Web
© Christliche-Lebensberatung.ch – überarbeitet am 14.2.2020 (ar)