Die verkannte Chance von ADS, ADHS
ADS/ADHS besser verstehen können: Es geht um Menschen, die die Welt aus einer anderen Sicht sehen und erleben. Es geht um Kinder, die den Schulunterricht stören und ihre Eltern an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringen. Es geht um nicht erreichte Leistungen und Ziele, um eine andauernde innere Unruhe und um Versagen als ständig begleitendes Gefühl. ADS/ADHS unter der Lupe.
Es gibt immer wieder Menschen, die sich aufgrund ihrer dynamischen Innenwelt anders verhalten als der Durchschnitt. Dies ist oft nicht kompatibel mit dem, was unsere Gesellschaft als normal definiert.
Unsere leistungsorientierte Welt
Leistung: Kinder werden während der Schulzeit auf die Leistungsvorstellungen der Wirtschaft vorbereitet. Erfüllte Leistung wird von uns nicht selten mit Annahme der eigenen Persönlichkeit definiert.
Wer nicht genug leisten kann, fühlt sich oft nicht angenommen und hat in der Folge einen tieferen Selbstwert.
Wir alle kennen dieses Gefühl. Wissen wir uns akzeptiert und respektiert, sind wir motivierter und können auch mehr leisten. Angenommen zu sein steigert die Leistung. Wie wenn ein Schalter im Hirn umgelegt würde.
Bei Menschen mit ADS/ADHS ist die Leistungsfähigkeit sehr unterschiedlich. Von hochbegabt bis zur begrenzt anhaltenden Handlungsfähigkeit.
ADS/ADHS ist für alle Beteiligten eine Herausforderung und zugleich eine Chance
«Nimm meine ADS/ADHS-Brille und entdecke meine Denk- und Sichtweisen. Entdecke meine Gefühle und verstehe mich!»
Die Sicht von Kindern mit ADS/ADHS ist einzigartig. Auffallend ist vor allem, dass diese Kinder noch mehr durch die Beziehungsbrille ansehen als Kinder dies ohnehin schon tun.
- «Bin ich angenommen?»,
- «Nimmst du dir Zeit für mich?»,
- «Siehst du, was ich sehe?»
- «Bin ich es dir wert, mit mir zu spielen?»
etc.
Ausgeprägt ist ihr Spürsinn, ob sie respektiert sind oder nicht. Ihr latentes Gefühl: Ich genüge nicht.
Weil sie es oft positiv nicht schaffen, wählen sie die negativen Varianten und machen daraus ihren persönlichen Lebensstil. Angetrieben vom Gefühl, nicht zu genügen.
Mühsame Aufklärungsarbeit
Eltern von Kindern mit ADS/ADHS sind speziellen Herausforderungen ausgesetzt. Zum einen stehen auch sie unter Druck. Im Beruf, privat und in der Schule ihrer Kinder. Denn sie führen mehr Gespräche mit den Lehrern als Eltern mit «normalen» Kindern.
Oft zahlen diese Familien den Preis einer gewissen Einsamkeit und müssen ihr Leben umstellen.
Sie möchten nicht immer erklären, warum ihr Kind anders reagiert. Wenn es die «einfachsten» Dinge des Lebens nicht auf die Reihe kriegt. Aufklärungsarbeit kann sehr mühsam sein. Nichts erhält man schneller als unpassende Rat-Schläge. Von anderen Eltern, die «wissen», wie man erzieht. Von den Eltern anderer Eltern, die ja auch erzogen haben.
Wer kein Kind mit ADS/ADHS hat, kann sich oft schlecht in die Situation hineinfühlen.
Wertvollen Rat erhält man in der Regel beim Kinder- und Jugendpsychologen. Vor allem für die Kinder.
Und die Eltern und anderen Angehörigen?
Ein betroffener Familienvater erzählt:
«Wenn ich auf die 20 Jahre Erfahrung mit drei Kindern mit ADS/ADHS zurückblicke, so hat mir vor allem eines gefehlt: Stabilisierung für uns Eltern.»
Eltern, Geschwister, Grosseltern sind meist die wichtigsten Bezugspersonen von Kindern. Ihr gelebtes Vertrauen ist äusserst wertvoll. Doch bei ADS/ADHS braucht es mehr. Geben können Eltern nur, wenn sie selbst immer wieder auftanken können. Wenn sie diese ständige Belastung aushalten können und ihre eigenen Grenzen kennen. Dann tun sie nicht nur sich selbst einen grossen Gefallen, sondern auch den Kindern.
ADS/ADHS heisst, die Welt mit sehr sensiblen Augen zu sehen. Es lohnt sich, diese Welt zu entdecken. Viele ehemalige ADS/ADHS Kinder stehen heute mitten im Leben. Und gehen ihren Weg.
Wer ADS/ADHS als Chance sehen lernt, entdeckt selbst auch neue Sichtweisen, die auf ihre ganz besondere Art reich machen und dem Leben eine ungeahnte Tiefe geben können …
Meinung: ADS/ADHS und was wir dazu lernen können
Ein Kommentar aus der Reihe «Auch das noch!» von Andreas Räber, GPI®-Coach
Ein Hauch von «ADHS-/ADS-Erleben»: Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schnell wir an unsere psychischen Grenzen kommen können. Psychologische und psychiatrische Gesundheitseinrichtungen wurden überrannt und sind noch immer am Anschlag. Grund: Viele Menschen kriegen das gesellschaftliche und weltpolitische Geschehen nicht mehr auf die Reihe. Da tauchen Ängste auf, die wir nie zuvor erfahren, noch für möglich gehalten haben. Wie geht es Ihnen, wenn Sie an diese Erlebnisse denken?
Diese innere Unsicherheit, dieses ständige Fragen, wie weiter, erleben Menschen mit ADHS/ADS andauernd.
Da ist etwas, das «nicht stimmt». Was dazu führt, ständig abzuklären, ob Fundamente wie Zuneigung und Liebe noch vorhanden sind. Jegliche gut gemeinten Zusagen sind innert Sekunden vergessen. ADS/ADHS muss man einordnen können.
50 innerorts. Wenn wir mit dem Auto in ein Dorf fahren, wird uns eine Tempolimite vorgegeben. Der Grund: Je schneller wir fahren, desto grösser die Gefahr, dass wir einen Unfall, vielleicht sogar mit Personenschaden anrichten.
Langsamer fahren bedeutet mehr Übersicht behalten. In der Regel verlieren wir gar nicht so viel Zeit mit gemächlicherem Unterwegssein.
Unsere Wirtschaft kennt keine Tempolimite. Ziele und Anforderungen entstehen meistens im Kopf. Oft auch durch einen Minderwert, durch den Wunsch, sich zu beweisen. Anerkennung zu erhalten.
Dabei kennt unser Denken keine Grenzen und lässt oft für die Realität unmögliche Zielsetzungen zu.
Das führt dazu, dass wir immer schneller und stets mit Vollgas und vor allem menschlich unwürdig unterwegs sind. Wir sind keine Autos, keine Maschinen. Die Tempofrage betrifft zuallererst Menschen mit ADHS/ADS. Und dann bald auch uns alle.
Jeder Mensch hat seine eigene Tempolimite und tut gut daran, sie bestmöglich einzuhalten.
Immer auf Speed zu sein, tut auf Dauer niemandem gut. Am Ende landen wir in jetzt schon überforderten Gesundheitseinrichtungen und damit bei Menschen, die selbst am Limit laufen.
ADS/ADHS hat uns allen einiges zu sagen. Zum Beispiel, dass:
- Beziehung die wichtigste zwischenmenschliche Währung ist,
- Leben im Moment stattfindet,
- die Welt «anders zu entdecken» dem Leben einen unfassbaren Reichtum gibt,
- «Langsamkeit» auf Dauer oft mehr erreicht,
- natürliches Wachstum sein darf, dem Individuum angemessen,
- ADS/ADHS wertvolle Dinge entdeckt, die unser Blick gar nicht mehr wahrnimmt.
ADS/ADHS ist also nicht nur eine Herausforderung, sondern, richtig eingeordnet, auch eine Chance, dem Leben noch eine andere Dimension zu geben.
Andreas Räber ist GPI®-Coach und fundierter Querdenker. Er fördert neue Denk- und Sichtweisen, zum einen als Autor zahlreicher Blogs, Fachartikel und Kurzgeschichten rund um Beruf, Glauben und Leben. Zum anderen begleitet er seit über 14 Jahren Menschen bei Themen wie Standortbestimmung, berufliche Neuorientierung, berufliche Selbstständigkeit, Persönlichkeitsentwicklung etc.
Er ist Inhaber der Webseiten christliche-werte.ch und christliche-feiertage.ch und Autor des wöchentlichen Impuls-Newsletters «Anstubser».
Andreas Räber ist zudem seit über 20 Jahren im Bereich Internet und Online-Marketing tätig.
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© Christliche-Lebensberatung.ch, 7. Juli 2014 – überarbeitet 29.4.2023 Andreas Räber, Lektorat: Tabea Räber